Suakin – IM SUDAN

Suakin (auch Sawakin, Souakin oder Shouakim genannt) war im 19. Jahrhundert die wichtigste Hafenstadt des Sudan. In der Zeit des Mahdi-Aufstandes spielte diese Stadt eine zentrale Rolle. Durch ihre Lage war sie sowohl wirtschaftlich, als auch militärisch von größter Bedeutung. Suakin war Ausgangspunkt der kürzesten Handelsroute, die durch die Wüste zum Nil nach Berber führte und der Route nach Kassala, an der auch die Telegrafenlinie zum Nil verlief. Sie war außerdem ein wichtiger Umschlagplatz an der Seeverbindung zwischen dem Suezkanal und Indien. Während des Mahdi-Aufstandes wurden vor den Toren der Stadt zahlreiche Schlachten geschlagen und Suakin befand sich jahrelang in einem Belagerungszustand. Die Stadt bildete aber auch das einzige Gebiet des gesamten Sudan, welches nicht durch die Anhänger des Mahdis erobert werden konnte.

Die Stadt Suakin bestand aus zwei Bezirken. Das Stadtteil El Geyf, der hauptsächlich von Einheimischen bewohnt wurde, lag auf dem Festland, während der ehemalige Stadtteil der arabischen Händler auf einer ovalen Insel gebaut wurde, die innerhalb einer kleinen Lagune lag. Diese kleine Lagune wurde durch vorgelagerte Korallen geschützt und bildete damit einen natürlichen Hafen. Ein enger Kanal erlaubte Schiffen in das Innere dieser Bucht vorzudringen. Auf einer weiteren kleinen Insel in der Lagune, der Condenser bzw. Quarantine Island, befand sich der Umschlagplatz und Ausgangspunkt der 1885 begonnenen Berber-Bahn. Ein wenig außerhalb lagen die Shata Quellen, die für Suakin die Hauptwasserversorgung darstellten. Die Quellen bestanden aus einem Becken am Ende eines trockenen Flussbettes, dass von einem großen Damm begrenzt wurde. Das Becken enthielt nur für kurze Zeit im Winter sichtbares Wasser. In der restlichen Zeit des Jahres mussten tiefe Brunnen in das Becken gegraben werden, um an das Wasser zu gelangen. Auf beiden Seiten am Ende des Dammes stand ein Fort, welche die Quellen bewachten.

Ihre Blütezeit erlebte die Stadt während der türkisch-ägyptischen Herrschaft, also von 1865 bis zum Ausbruch des Mahdi-Aufstandes und den Angriffen durch Osman Digna im Jahre 1883. In dieser Periode zählte die Stadt  8.000 Einwohner, von denen rund 3.000 auf der Insel und 5.000 in El Geyf lebten. Der Stadtteil auf der Insel beherbergte einige große Regierungsgebäude, unter anderem gehörten dazu das Haus des Gouverneurs (Muhafsa), das ehemals schönste der älteren Wohngebäude, das Haus von Khorshid Effendiund das Zollamt. Neben der Hanafi- und derSchafa’i-Moschee gab es noch rund 200 weitere kleine Gebäude. Als Charles Gordon 1877 zum Generalgouverneur des Sudans ernannt wurde, ließ er einen Damm von der Insel zum Festland anlegen. Der Damm war 100 Meter lang und 40 Meter breit. Am Ende, auf der Inselseite, gab es ein großes Tor in Form eines Bogens, welches mit einer starken Doppeltür versehen war. In der Nacht wurde das Tor geschlossen und durch ägyptische Soldaten bewacht.

Der Baustil Suakins entsprach dem typisch islamisch-türkischen der Hafenstädte des roten Meeres, welcher im 16. bis 20 Jahrhundert an der gesamten Küste vorherrschend war. Das auffälligste Merkmal dieses Stils bildeten die Mashrabiya-Fenster, die als hölzernes Gitterwerk die Hitze des Tages abhielten und den kühlen Wind der Nacht hereinließen. Dieser Effekt wurde verstärkt durch die aufwändig verzierten Erker aus Java-Teakholz (Roshan), dem Kennzeichen der alten Patrizierhäuser. Im 19. Jahrhundert, als ägyptische Beamte und internationale Firmen Suakin neu entstehen ließen, zierten nur noch überdachte Balkone und Rundbogenfenster mit Holzläden die Häuserfronten. Glasfenster suchte man vergeblich in der Stadt. Vor Staub und Kälte des Winters schützten nur Vorhänge, die vor die Fenster gezogen wurden. Die Häuser selbst waren oft aus blendweißem Muschelkalk und meist zwei- oder dreistöckig gemauert. In den Obergeschossen befanden sich die Frauengemächer, im Erdgeschoss war üblicherweise ein Laden oder Lagerraum. Der Stadtteil El Geyf bestand hauptsächlich aus Lehmziegelhäusern im sudanesischen Stil und den traditionellen bootsförmigen Rundzelten der Beja. Hier befand sich auch der Bazar der Stadt.

 Von der Küste aus gesehen ist Suakin und seine nähere Umgebung eine sandige Ebene, die innerhalb von 10 bis 15 Kilometern bis auf rund 50 Meter ansteigt, um dann auf die Berge zu treffen, welche die Ebene nach Westen hin begrenzt. Die unmittelbare Umgebung von Suakin ist flach und offen, erst nach ein bis zwei Kilometern wird das Buschwerk dichter, wo die Mimosenbüsche eine Höhe von 2 bis 3 Meter erreichen. Immer wieder wird die Ebene von trockenen Wasserläufen, so genannten Khors, durchschnitten, die von Norden kommend in östliche Richtung laufen. Die größeren Khors, wie Khor Ghob, haben am Grund ihres Bettes eine Breite von 50 bis 200 Metern und eine Tiefe von 7 bis 20 Metern.

Die Befestigungsanlagen

Zu Beginn des Mahdi-Aufstandes war Suakin nur sehr unzureichend befestigt. Außerhalb von EL Geyf, direkt am Milchmarkt, gab es ein altes Steinfort, das mit einem Graben und Erdwall gesichert war. Hier waren 2 Krupp Geschütze, 3 Berggeschütze, sowie einige alte glattläufige Kanonen positioniert. Neben dem Fort gab es noch eine Baracke, die als Gefängnis, Lager und Unterkunft für ca. 400 Männer diente. Im Norden von El Geyf lag außerdem eine unbefestigte Garnison, die aus einem Lehm und Steingebäude bestand, welches 2 Kompanien, die übliche Garnisonsgröße der Stadt,  aufnehmen konnte. Nach Ankunft der ersten Truppenverstärkungen im Dezember 1883 wurden unter der Leitung von Colonel Harrington, als erstes ein Graben und ein Erdwall um die Stadt angelegt. Der Graben hatte ungefähr eine Tiefe von 4 Fuß und war rund 3 Fuß Breit. Die Erde des Grabens war dahinter zu einen 5 bis 6 Fuß hohem Wall aufgeworfen worden. Im Wall waren, in einem Abstand von 6 Inch, 6 Fuß lange Holzpfähle verankert. Die Pfähle waren außerdem durch längs laufende Balken miteinander verbunden. Das gesamte Graben und Wallsystem wurde zusätzlich mit dornigen Mimosenbüschen gesichert, die bis zu einer Höhe von 6 Fuß aufgeschichtet wurde. Das alte Steinfort, das jetzt Fort Harrington genannt wurde, machte Colonel Sartorius zum Hauptquartier seiner 1. Division, während in der Baracke daneben die ägyptischen Polizisten einquartiert wurden.

 Nachdem Baker Pasha in Suakin eingetroffen war und die Befestigungen inspiziert hatte, ließ er diese durch kleine vorgelagerte Schanzen zusätzlich verstärken. Ein Laufgraben verband eine Reihe von kleinen Forts, bei denen es sich um isoliert stehende Häuser handelte, die zusätzlich befestigt wurden. Um diesen Verteidigungsgürtel wurde außerdem eine Zariba aus alten Dornenbüschen gezogen. Auch außerhalb der Stadt wurden kleine Stützpunkte angelegt, um so die Wasserquellen zu sichern und die Ansar auf Distanz zu halten.

Im Jahr 1885 waren die Arbeiten zur der Sicherung der Stadt abgeschlossen. Die Befestigungsanlagen hatten nun eine Länge von fast 2 Meilen, welche die Stadt und ihre Außenbezirke völlig umgaben. Der größte Teil bestand aus einem Erdwall, an einigen Stellen wurden aber auch hohe Mauern aus Korallen errichtet. Zu den wichtigsten Forts und Stellungen in dieser Linie gehörte die Gerzireh Schanze, die am westlichen Rand der Lagune lag und durch einen Wassergraben mit der Yamin Schanze verbunden war. Danach machte die Verteidigungslinie einen Knick nach Süden, wo sich die nächsten Stellungen, die Lansari Schanze, die Oorban Schanze, die Wastanieh Schanze, sowie das Fort Carysfort und Euryalus, bemannt mit 194 und 160 Soldaten der Naval Brigade und damit den stärksten Punkten der gesamte Verteidigung, befanden. Ein wenig südlich davon lagen das Fort Commodore und die Gedeedeh Schanze, wo sich die Linie wieder ostwärts, in Richtung Lagune erstreckte. Hier waren das Fort Turk, die Schanze Arab und Sphinx, sowie, ganz am Ende der Linie, die so genannte Linke Schanze zu finden. Außerhalb des Verteidigungsringes, nicht ganz eine Meile entfernt, lag eine Kette von 12 kleinen kreisrunden Schanzen, an denen auf der westlichen Seite die Wasserforts Gemmeiza und Shata anschlossen. Sie sicherten die lebenswichtigen Shata Quellen. Im Süden befand sich das Fort Foulah, welches die dort gelegenen gleichnamigen Wasserstellen sicherte. Die kleinen Schanzen lagen in einem Abstand von rund einer Viertelmeile und waren mit einem 10 bis 12 Fuß tiefen Graben umgeben. Über eine Planke konnte man die Schanze betreten und verlassen oder diese, wie eine Zugbrücke, einziehen. Jede dieser Schanzen war mit 15 Mann der ägyptischen Garnison besetzt. Das große Wasserfort Gemmeiza war mit einer Krupp Kanone und einem Berggeschütz ausgerüstet. Das kleinere Wasserfort und die zentralen Gräben waren mit 2 Kompanien bemannt. Es gab zwei Hauptzugänge, die durch die Verteidigungslinie in die Stadt führten. Einer am Fort Caryfort und einer an der Yamin Schanze, wobei der letztere der meistbenutzte war. Weiterhin wurden die Flanken der Verteidigung von den Kanonenbooten H.M.S Sphinx und Decoy geschützt, während die Ranger den Dammweg zur Insel sicherte.

Als Kitchner 1886 neuer Gouverneur dieser Region wurde, begann man auf seine Anordnung die Verteidigungsanlagen völlig neu anzulegen und zu verstärken. Eine 10 bis 12 Fuß hohe Mauer aus stabilen Ziegeln ersetzte die alte Lehmmauer. Sechs Bastionen wurden an dieser neuen Mauer verteilt und im Zentrum der Anlage stand ein großes befestigtes Tor, welches erst als Shata- später als Kitchner-Tor bekannt wurde. Eine Schrifttafel über dem Kitchner Tor verkündete „Frieden für alle, die diese Stadt betreten oder verlassen“. Die Bastionen hießen (im Uhrzeigersinn genannt): Sphinx, Arab, Tokar,  Sudani, Ansari und Yamen. Die Bastionen bzw. Forts waren vier oder fünfseitig und ragten aus der Mauer heraus, wodurch sie ein großes Schussfeld abdecken konnten und sich gegenseitig unterstützen. Sie hatten eine weite Plattform, die von einer niedrigen Brüstung geschützt wurde. Die Plattform bildete zugleich das Dach für einen kleinen Raum darunter, welcher als Lager- oder Wachraum diente. Eines dieser Forts, das Fort Ansari, soll über einem Grab gebaut worden sein, dass, so erzählt man sich, einem Ansar gehörte, der nach der arabischen Invasion Ägyptens nach Suakin geflohen war. Außerhalb der Mauern gab es einen weiteren Ring von Forts, unteranderen das Fort Tamai an der Straße nach Tamai, die zwei Wasserforts, Fort Mashiel an der Straße nach Hasheen und Fort Handub an der Straße nach Handub. Alle diese Forts waren sechsseitig konstruiert und aus Ziegel gebaut, mit einer Ziegelmauer und einem Graben umgeben. Sie dienten in erster Linie als Beobachtungsposten.

Das Ende der Stadt

Nach der Niederschlagung des Mahdi-Aufstandes wurde im Sudan schon bald ein größerer Hafen benötigt. Suakin kam auf Grund der engen Hafenbucht nicht mehr in Frage. Im Jahre 1904 wurde deshalb Port Sudan gegründet. Dieser neue Hafen löste Suakin bald auch als Provinzhauptstadt ab und die alte Hafenstadt verlor immer mehr an Bedeutung und verfiel in den 60er Jahren zu einer Ruine. Auch heute wird nur noch ein kleiner Teil der Stadt bewohnt, während die einst legendäre Inselstadt zu Staub und Stein zerfällt.

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